DPG-Jahrestagung 2017

von DPG

DPG-Jahrestagung in Nürnberg

Die DPG veranstaltet jährlich wissenschaftliche Tagungen für die Fachöffentlichkeit, die Mitglieder der Gesellschaft und die Ausbildungsteilnehmer an den regionalen Ausbildungsinstituten. Die Tagung fand in Nürnberg statt.

Auf der Mitgliederversammlung wurde Klaus Grabska als neuer 1. Vorsitzender, Beate Blank-Knaut wurde als 2. Vorsitzende und Gisela Zemsch als Leiterin des IPA-AZ neu gewählt.

Ingo Focke und Cornelia Wagner wurden nach langer und ertragreicher Arbeit im Wahlvorstand verabschiedet.

Die übrigen Vorstandsmitglieder wurden in ihren Ämtern wiedergewählt.

 

Reaktionen auf die Jahrestagung:

Bericht in der Online-Zeitung Nordbayern: 
"Im Internet findet auch viel Befreiung statt"
Interview mit Magdalena Hecht über die Folgen der Digitalisierung - 24.05.2017 19:38 Uhr

www.nordbayern.de/1.6168819

Veröffentlichung von Vorträgen im Forum der Psychoanalyse vom März 2018

https://link.springer.com/journal/451/34/1/page/1

 

Einladung zur Jahrestagung 2017

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft lädt Sie herzlich zu ihrer Jahrestagung 2017 mit dem Thema „ZwischenWelten - das Psychische und die Welt im Wandel“ nach Nürnberg ein.

In einer Reihe mit den zurückliegenden Jahrestagungen wollen wir uns in Nürnberg erneut mit den Folgen politischer und gesellschaftlicher Umbrüche auseinandersetzen und unsere eigene Denk- und Arbeitsweise kritisch befragen. Wucht und Geschwindigkeit der Veränderungen haben massive Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl jedes Einzelnen, sie verändern Kommunikationsweisen, das Identitätsgefühl und Geschlechterrollen. Manche finden, das psychoanalytische Vorgehen selbst habe im Spannungsbogen zwischen Erstarrung und Innovation an Klarheit und Sicherheit verloren.

ZwischenWelten: Wir haben es mit großen Veränderungen zu tun, zum einen bei den Erwartungen vieler Patienten, unter dem Einfluss von Effektivitätsdruck und Wirtschaftlichkeitserwägungen und angesichts von Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem, zum anderen verschieben sich in der psychoanalytischen Technik und in der Metapsychologie die Akzente. Das Augenmerk richtet sich zunehmend auf das Dazwischen. Gegenüber der etablierten Vielfalt an psychoanalytischen Theorien und Praxen erscheint der Versuch ambitioniert, im Rahmen der psychoanalytischen Feldkonzeptionen, wie sie sich in der süd- und nordamerikanischen sowie der europäischen, insbesondere italienischen, Psychoanalyse entwickelt haben, einen neuen „common ground“ zu entwickeln. Wegweisend sind die fundamentalen Veränderungen durch Wilfred Bion, der die analytische Situation als „two-way affair“ denkt: Grundlegend ist, was sich zwischen Analytiker und Analysanden ereignet. Das analytische Geschehen wird nicht nur durch den Analysanden konstituiert, durch seine spezifische innere Welt und Geschichte, sondern auch durch den Analytiker, durch dessen Art und Weise zu funktionieren und die Szene zu betreten.

Seinen Ausgang nahm das psychoanalytische Feldkonzept in den 60er Jahren durch die Arbeiten von Willy und Madeleine Baranger. Charakteristisch für das Feldkonzept ist die Verwendung eines narrativ-tranformativen Stils, sodass Analytiker und Analysand gemeinsam ein sich fortlaufen änderndes Narrativ neuer Inhalte und Bedeutungen weben. Die Deutung wird in diesem Kontext zu einer „schwachen“, „ungesättigten“ und ist entschieden dialogisch und intersubjektiv angelegt. Halten unsere Analysanden noch gesättigte Deutungen aus oder benötigen sie mittlerweile offenere innere Bilderwelten, auf die sie mit ihrem Unbewussten besser ansprechen können – und warum ist das so? Oder gilt es, für den jeweiligen Analysanden oder die jeweilige Stunde den „passenden“ Deutungstypus zu finden? Wie verhalten sich „ungesättigte“ und „gesättigte“ Deutungen zum Material der Stunde, zum Analysanden und zum Analytiker?

Ähnliche Konzeptualisierungen finden sich bei Thomas Ogden, in der nordamerikanischen intersubjektiven Tradition und der bifokalen Einstellung sensu Helmuth Thomä. Manche sprechen von einem Paradigmenwechsel, andere halten diese Veränderungen nur für eine Akzentverschiebung, die sich bereits in der Affirmations- und Aktualisierungstheorie der Sandlers und im Konzept des szenischen Verstehens Hermann Argelanders finden lasse.

In der Kinder- und Jugendlichenanalyse interessiert uns der gemeinsame Spielraum, Ausdruck einer gemeinsamen Schöpfung und immer schon ein Verweis auf die inszenatorische Kraft eines gemeinsamen Prozesses.

Zwischen Welten: Wie wirken sich die modernen Entwicklungen in der westlichen Welt, denen Analytiker und Analysanden gleichermaßen ausgesetzt sind, auf Anschauungen und Daseinsverständnis aus?. In der öffentlichen Wahrnehmung werden Parallelwelten säuberlich auseinandergehalten oder prallen sprichwörtlich aufeinander, wie die der radikalisierten Islamisten auf die der säkularisierten, postmodernen Gesellschaft, aus der sie zum Teil hervorgehen. Wie gestaltet sich der analytische Prozess, wenn unser Gegenüber zu der Gruppe der sich hier einbürgernden Flüchtlinge, sozial ausgegrenzten Hartz-IV-Empfänger in Problemvierteln oder zu einer ausgeprägten Subkultur mit ihren eigenen Codes und Normen gehört? Inwieweit kann sich ein Cybernomade noch an einen „analogen“ Analytiker mit seinen Methoden der Redekur binden, sodass sich erspürbar und nachvollziehbar eine Übertragungs-Gegenübertragungs-Matrix entfalten kann? Analytiker beschäftigen sich damit, ob sich eine Analyse in der Cyberwelt abspielen kann, sei es per Skype oder Internet, und welche Erfahrungen und Veränderungen dies mit sich bringt. Wie kann die Kluft zwischen heranwachsenden Analysanden als „digital natives“ und älteren Analytikern überbrückt werden? Muss sie das überhaupt? Von besonderem Interesse für uns sind die Momente, in denen ein gemeinsamer Spielraum zusammenbricht, ein Übergangsraum verlorengeht, und wie damit weitergearbeitet werden kann.

Zwischen theorieorientierten und praktizierenden Analytikern einerseits und um Hilfe suchenden Patienten andererseits finden wir in einer Art Zwischenwelt die Kandidaten der analytischen Ausbildung. Mehr noch als ihre im Beruf stehenden Ausbilder und Meister erleben sie die Analyse und ihre Ausbildungsbedingungen durch den Wandel der Gesellschaft und an den Universitäten bedroht. Sie erfahren und lernen, wie man unbewusste Prozesse in hochfrequenten Analysen verfolgen kann, während sie es in universitären und beruflichen Kontexten mit verhaltenstherapeutisch und tiefenpsychologisch ausgerichteten Kollegen zu tun haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir möchten Sie herzlich zu unserer Jahrestagung in Nürnberg einladen. In eine Stadt, deren Mauern Zeiten des Glanzes und der Prosperität, aber auch des Grauens und der Scham erfahren haben. Und zu einem Kongress, der sich in besonderer Weise mit den ZwischenWelten auseinandersetzt, die nicht nur durch die Heterogenität und Destruktivität in der Welt und den Beziehungen schwer durchschaubar werden. 

Ingo Focke (1. Vorsitzender)

Harald Kamm für die Vorbereitungsgruppe

Programm: DPG Jahrestagung in Nürnberg

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